25.08.2023
Nachhaltigkeit als Stunde des Handwerks
HWK-Zukunftsräume: Prof. Dr. Christian Berg wirbt für Transformation und Sachlichkeit
„Nachhaltigkeit muss jetzt erreicht werden, und das ist die Stunde des Handwerks.“ Dessen war sich der Autor und Wissenschaftler Prof. Dr. Christian Berg in seinem Impulsvortrag auf der gestrigen (Freitag, 25. August) Veranstaltung „Nachhaltigkeit als Jahrhundertaufgabe“ sicher. Zum Diskurs und zur Diskussion über dieses Thema begrüßte Hans Hund, Präsident der Handwerkskammer (HWK) Münster, etwa 60 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlichem Leben der Region vor Ort und 320 Besucher des Livestreams.
Hund betonte: „Die Bewältigung der ökologischen, ökonomischen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit liegt selbstverständlich auch im eigenen Interesse der Wirtschafts- und Gesellschaftsgruppe Handwerk.“ Angesichts des Fachkräftemangels, steigender Kosten und einer lahmenden Konjunktur sei es aber spannend, wie Unternehmen Ökonomie, Ökologie und Soziales optimal in eine nachhaltige Balance bringen könnten. Hund warf zudem die Frage auf, was für die nächste Etappe hin zu mehr Nachhaltigkeit gebraucht werde.
Berg, der auch Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome ist, hob hervor, dass eine grundlegende Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft unausweichlich sei, um „Kipppunkte“, unter anderem bei Klima, Regenwäldern, Artenvielfalt und Chancen für den globalen Süden zu vermeiden. Er folgerte: „Die Welt von morgen muss anders aussehen. Wir werden alles neu denken müssen.“ Nachhaltigkeit sei vom Ziel aus zu denken; die entscheidende Frage sei: „Was sind die Grenzen des Planeten?“
Ökonomisch sei deshalb ein CO2-Preis wichtig. Der Experte räumte ein, dass rasante Veränderungen vielen Menschen Angst vor Verschlechterungen machten. Dies werde von Populisten genutzt. Er warb für eine Versachlichung der politischen Auseinandersetzung über Nachhaltigkeit, warnte vor Ideologisierung, aber auch vor einem Überbietungswettbewerb gegenüber Populisten. Große Ungleichheiten in einer Gesellschaft gelte es zu vermeiden, denn diese schafften Probleme, die Veränderungen im Weg stünden. Der soziale Zusammenhalt sei zu stärken.
Konkret empfahl der Redner neben einer Energie- und Verkehrswende auch eine Bürokratiewende. Neben technischen würden soziale Innovationen wie Carsharing und Repaircafés und mehr Zusammenarbeit in der Wirtschaft gebraucht. Nicht zuletzt nannte Berg auch individuelle Bequemlichkeiten, den „inneren Schweinehund“, den jeder selbst überwinden müsse, um eine nachhaltigere Lebensweise zu erreichen.
Für das Handwerk sieht der Wissenschaftler große Chancen durch mehr Nachhaltigkeit: Hohe Energiepreise regten zu Innovationen und Investitionen an. Handwerk zeichne sich durch eine lokale Wertschöpfung aus, etwa durch Reparaturen. „Das Handwerk hat jungen Menschen etwas zu bieten: sinnvolle Beschäftigung, mit der die Energiewende umgesetzt werde, und Qualität.“
Die Wissenschaftsjournalistin Marlis Schaum, die die Veranstaltung moderierte, wie auch Gäste stellten dem Experten die Frage, wie Verbraucher mit kleinem Geldbeutel überhaupt nachhaltiger konsumieren könnten. Berg plädierte für eine höhere Besteuerung von Einkommensstarken zur Entlastung des Konsums und außerdem für weniger Wegwerfgesellschaft. Haushaltsnahe Dienstleistungen könnten zudem gestärkt werden.
Zur Förderung von Nachhaltigkeit in der Wirtschaft sprach er sich dafür aus, in der öffentlichen Beschaffung mehr Wert auf Nachhaltigkeit zu legen und die gesamten Lebenszykluskosten von Bauprojekten in die Vergabe einzubeziehen. Sein Fazit: „Wir brauchen mehr Transparenz, mehr Ehrlichkeit und sachliche Diskussionen in der Politik. Wir brauchen mehr sachlichen Dialog in den Medien.“
Die Veranstaltung war Teil der Reihe „Zukunftsräume“, mit der die Handwerkskammer den Austausch mit Visionären und Denkern sucht. Sie will Gespräche über wegweisende Lösungen für aktuelle Herausforderungen führen.
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Pressemitteilung vom 25. August 2023